Dr. Oleg Kheyfets
Steinleiden
Harnsteine können sich im gesamten Harntrakt bilden und werden in der Fachsprache „Urolithiasis“ bezeichnet. Je nachdem wo die Harnsteine vorkommen, spricht man entweder von Nierensteinen (Nephrolithiasis), darunter unterscheidet man Kelchsteine, Nierenbeckensteine und Ausgusssteine, oder Harnleitersteinen (Ureterolithiasis). Die Blasensteine sind eine Sondergruppe der Harnsteine, da ihre Entstehung hauptsächlich mit den Blasenentleerungsstörungen und Infekten zusammenhängt. Circa 12% der Weltbevölkerung leidet an Harnsteinbildung. In Österreich sorgt diese Diagnose für ca. 20000 Krankenhausaufenthalte pro Jahr. Somit gehört Urolithiasis nebst Herz-Kreislauf Erkrankungen und Diabetes zu den wichtigsten Volkskrankheiten.
Bei der Harnsteinbildung entstehen kristallisierte Verbindungen zwischen einer organischen Grundsubstanz und Mineralen aus dem Urin. Die häufigsten Steinarten sind Kalziumoxalate (ca. 75% aller Steine), Harnsäuresteine und Urate (ca. 15%), sowie Phosphate (ca. 10%). Zu den seltenen Steinarten gehören genetische Steine (z.B. Zystinsteine) und medikamentös bedingte Steine (Indinavirsteine, Sulfonamidsteine).
Kristalle können sich in einer übersättigten Lösung bilden und entstehen entweder spontan oder auf einem Fremdkörper. In einem komplexen biologischen System, wie der menschliche Harntrakt, wird dieser Prozess von sehr vielen Faktoren beeinflusst. Neben den chemischen Faktoren (Konzentration der steinbildenden Substanzen und Hemmstoffen, pH Wert), können anatomische Faktoren (z.B. Durchflussgeschwindigkeit) eine wichtige Rolle spielen. Die wichtigsten Risikofaktoren für Steinbildung sind: genetische Faktoren, geringe Flüssigkeitsaufnahme, unausgewogene Ernährung (erhöhte Zufuhr von tierischem Eiweiß und Kochsalz), Übergewicht, Stoffwechselkrankheiten, Entzündungen der Harnwege, oder anatomische Ursachen wie eine Verengung des Harnleiters.
Die Symptome der Urolithiasis können unterschiedlich sein und hängen vor allem von der Lage und Größe der Steine ab. Während Nierensteine meistens lange Zeit keine Beschwerden verursachen und selbst ein großer Nierenstein vom Patienten oftmals nicht bemerkt wird, führen Harnleitersteine zu Nierenkoliken sowie zu Schmerzen im Bereich des Unterbauches, der Leiste und/oder zu Schmerzen im Bereich der Hoden. Weitere Symptome sind starker Harndrang, Probleme beim Wasserlassen und Blut im Urin. Eine erhöhte Neigung zu Harnwegsinfekten kann auf Vorliegen der Steine im Harntrakt hindeuten.
Bei typischer Schmerzsymptomatik oder Vorgeschichte der Steinbildung kann der Verdacht auf Urolithiasis gestellt werden. Die klinische Untersuchung liefert oft weitere Hinweise. Bei der Ultraschalluntersuchung können Steine in der Niere und in der Harnblase relativ zuverlässig dargestellt werden. Harnleitersteine sind bei der Sonographie nur selten sichtbar, diese können nur bei Vorliegen einer Harnstauung verdächtigt werden. Eine Harnuntersuchung hilft eine begleitende und potentiell gefährliche Harnwegsinfektion aufzudecken.
Genauere Information über die Lage, Größe und Art der Steine kann mittels Röntgenuntersuchungen ermittelt werden. Die Computertomographie ohne Kontrastmittel gilt heutzutage als goldener Standard der Diagnostik. In manchen Situationen ist eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel indiziert. Die Verlaufskontrolle kann bei schattengebenden Steinen mit einfachen Röntgenaufnahmen durchgeführt werden.
Die Therapie richtet sich nach klinische Situation und wird an jeden Patienten individuell angepasst. Einzelne kleine Nierensteine können bei manchen beschwerdefreien Patienten beobachtet werden. Ausnahme hierfür sind Berufsgruppen, wo eine Nierenkolik zu katastrophalen Folgen führen kann (Piloten, LKW- und Busfahrer usw.). Harnleitersteine kleiner als 5-6 mm gehen in den meisten Fällen von alleine ab. Leider gibt es keine Möglichkeit um genau vorherzusagen wie lange der Stein dafür brauchen wird. Starke wiederkehrende Koliken machen das Warten auf den Steinabgang oft qualvoll. Konservative Therapie mit entzündungshemmenden und krampflösenden Medikamenten in Kombination mit Alpha-Rezeptorenblocker können den spontanen Steinabgang ein wenig beschleunigen. Bei unerträglichen Schmerzen muss eine operative Steinsanierung eingeleitet werden. Eine begleitende Harnwegsinfektion ist potentiell lebensbedrohlich und stellt eine sofortige Indikation zur Harnableitung dar.
Technische Entwicklungen der letzte Jahrzehnte haben die Steintherapie revolutioniert. Dank moderner Technologie, lassen sich die Harnsteine heutzutage minimalinvasiv oder sogar nichtinvasiv behandeln. Das bedeutet ganz ohne Hautschnitt, oder nur mit einer kleinen Inzision. Zu den wichtigsten Errungenschaften gehören die Etablierung von extrakorporaler Stosswellenlithotripsie (ESWL), die Entwicklung von modernen Endoskopen für den Harnleiter (URS) und für die Niere (pcNL), sowie der Energiequellen zur endoskopischen Steinzertrümmerung, in erster Linie der Lasertechnik.
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